Digitale Inhalte und Dienstleistungen: Neue EU-Richtlinie stärkt Verbraucher und nimmt Anbieter in die Pflicht

Digitale Inhalte und Dienstleistungen:
Neue EU-Richtlinie stärkt Verbraucher und nimmt Anbieter in die Pflicht

Die sogenannte dID-Richtline soll den Schutz der Verbraucher bei digitalen Inhalten und Dienstleistungen stärken. Die Richtline wurde am 25. Juni 2021 durch das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen“ in nationales Recht umgesetzt. Die neuen Bestimmungen sind ab dem 1. Januar 2022 anzuwenden.

Die Richtlinie ist im Rahmen der europäischen „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt“ entstanden. Sie hat das Ziel, die nationalen Märkte zu einem gemeinsamen, EU-weiten digitalen Markt zu harmonisieren.

Durch die dID-Richtlinie werden nun digitale Inhalte und Dienstleistungen, sog. „digitale Produkte“, in den Blick genommen. Sie sollen in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten einen einheitlichen Regelungsgehalt erhalten. Mit den Neuerungen soll der rechtliche Rahmen für Anbieter durch EU-weit einheitliche Regeln klarer gefasst und damit der Vertrieb von digitalen Produkten innerhalb der gesamten EU vereinfacht werden. Auf der anderen Seite erhöhen sich allerdings die rechtlichen Verpflichtungen der Anbieter.

Weit gefasster Anwendungsbereich

Gegenstand der dID-Richtlinie sind Verträge zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer über die Bereitstellung digitaler Inhalte und Dienstleistungen. Bei „digitalen Inhalten“ handelt es sich grundsätzlich um alle Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden. „Digitale Dienstleistungen“ sind solche, die dem Verbraucher die die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung von Daten in digitaler Form oder den Zugang zu solchen Daten ermöglichen oder die die gemeinsame Nutzung der vom Verbraucher oder von anderen Nutzern der entsprechenden Dienstleistung in digitaler Form hochgeladenen oder erstellten Daten oder sonstige Interaktionen mit diesen Daten ermöglichen.

Umfasst sind dabei alle Formen der Übermittlung und die Gewährung des Zugangs zu diesen digitalen Produkten, so dass die klassische Bereitstellung auf einem physischen Datenträger ebenso eingeschlossen ist wie Downloads und Streamings. Der Anwendungsbereich ist damit insbesondere bei Cloud- und Software as a Service- (SaaS) Diensten sowie dem Streaming oder dem Download von Videos, Musik, Büchern und Spielen eröffnet.

Nicht angewendet wird die Richtlinie auf körperliche Datenträger, außer sie dienen ausschließlich als Träger digitaler Inhalte. Ausgenommen sind ebenfalls Verträge über Glücksspiele etwa im Rahmen einer Lotterie oder eines Kasinospiels, Verträge über Bank- und Versicherungsdienstleistungen sowie elektronische Kommunikationsdienste. Auch Open-Source-Software ist nicht von der Richtline erfasst.

Die Richtlinie sieht eine sogenannte Vollharmonisierung vor. Die EU-Mitgliedstaaten dürfen in ihren nationalen Rechtsordnungen daher keine abweichenden Regeln vorsehen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für Vertragsklauseln des Anbieters. Dabei kommt es nicht auf den Vertragstyp an, sondern ausschließlich den Vertragsgegenstand.

Verbraucherschutz stärken

Ziel der Richtline ist es, den Verbraucherschutz bei digitalen Leistungen EU-weit zu harmonisieren und zu stärken. Sie regelt in diesem Zusammenhang, wie die Bereitstellung zu erfolgen hat und welche Gewährleistungsrechte dem Verbraucher bei einer mangelhaften Leistung des Anbieters zustehen. Ebenfalls geregelt ist, wer für welche Dauer die Beweislast bei der Geltendmachung von Ansprüchen trägt.

Dazu bietet die Richtline einen umfassenden Katalog von subjektiven und objektiven Kriterien, anhand derer sich die vertragsgemäße Leistung bewerten lässt. Ein weiteres, relevantes Kriterium ist auch die (un-) sachgemäße Integration der digitalen Produkte. Ein besonderes Augenmerk ist auf die neu eingefügte Aktualisierungspflicht des Anbieters zu legen, die Teil der objektiven Anforderungen an die Vertragsmäßigkeit ist.

Mit Daten bezahlen

Voraussetzung ist grundsätzlich, dass das digitale Produkt käuflich erworben wird. Neben einer monetären Gegenleistung sieht die Richtlinie den Anwendungsbereich explizit aber auch bei der „Bezahlung“ mit personenbezogenen Daten eröffnet, sofern die Bereitstellung von solchen Daten über das hinaus gehen, was für die Vertragsabwicklung notwendig ist. Mit personenbezogenen Daten bezieht sich die Richtlinie auf die DSGVO und meint alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Damit schließt die Richtlinie auch kostenlose Dienste, v.a. soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram und Tik-Tok, ein, deren Geschäftsmodell auf der Verwertung der personenbezogenen Daten ihrer Kunden basiert.

Haftung des Anbieters ausgeweitet

Der Anbieter haftet für ein Ausbleiben der Leistung und trägt zudem die Beweislast für die Bereitstellung der Leistung. Im Rahmen der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen trägt der Anbieter die Beweislast für die vertragsgemäße Leistung bis zu ein Jahr nach der (einmaligen) Bereitstellung. Bei Verträgen über fortlaufende Bereitstellungen gilt eine Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers für vertragsgemäße Leistung während der Vertragslaufzeit.

Wenn mehrere Akteure in einer Lieferkette beteiligt sind, kann der Anbieter etwa den Hersteller oder Lieferanten in Regress nehmen. In Deutschland ist der Rückgriff nur auf den jeweils nächsten Beteiligten in der Lieferkette möglich, vorausgesetzt dieser ist ebenfalls Unternehmer.

Wenig Zeit zur Umsetzung

Anbieter haben nun ein halbes Jahr Zeit, die ab dem 1. Januar 2022 anwendbaren Vorschriften umzusetzen. Aufgrund ihrer zahlreichen und detaillierten Neuregelungen sollten sie frühzeitig damit beginnen. Gerade die Bestimmungen zur Vertragsmäßigkeit und die rechtliche Regelung zur Bereitstellung von Aktualisierungen erfordern von Anbietern eine umfassende Prüfung der eigenen digitalen Produkte und eine Anpassung der Vertragsbestimmungen. Dabei sind aufgrund der Regressmöglichkeiten in der Lieferkette auch B2B-Verträge betroffen. Wir beraten Anbieter dabei und unterstützen sie bei der Umsetzung der Anforderungen.

Stefan Haßdenteufel
hassdenteufel@web-partner.de