Open Source Software – Teil 1: Welche Geschäftsmodelle stehen dahinter?

Open Source Software (OSS) ist inzwischen wesentlicher Bestandteil der Software-Entwicklung. Immer mehr Software-Anbieter bedienen sich der Komponenten mit offenem Quellcode. Die Entwicklung moderner Cloud-, Embedded- und Mobile-Computing-Technologien basiert zu großen Teilen auf OSS-Lösungen. Um der wachsenden Bedeutung dieses Bereichs Rechnung zu tragen, beleuchten wir relevante Aspekte von OSS-Software in einer dreiteiligen Serie. Im ersten Teil stellen wir die bekanntesten Geschäftsmodelle vor und zeigen deren Grenzen auf.

OSS basiert auf zwei wesentlichen Grundprinzipien. Entsprechend lizenzierte Software darf grundsätzlich von jedermann kostenlos und damit ohne Zahlung von Lizenzgebühren verwendet werden. Zudem wird OSS – anders als proprietäre Software – im Sourcecode bereitgestellt verbunden mit dem Recht, Anpassungen an der Software vornehmen zu dürfen.

Warum also sollten Anbieter ihre Produkte als Open Source lizenzieren und damit kostenlos zur Verfügung stellen? Weil sich mit quelloffener Software auch Geld verdienen lässt, sofern der Grundgedanke des Open Source Konzepts dabei berücksichtigt wird. Im Folgenden stellen wir ihnen die wichtigsten Geschäftsmodelle vor, die eine kommerzielle Verwertung von OSS ermöglichen. Die Gestaltungsmöglichkeiten für OSS-Geschäftsmodelle finden dort ihre Grenze, wo der Grundgedanken von Open Source in Frage gestellt wird. Dies erläutern wir anhand des umstrittenen Geschäftsmodells der MongoDB.

Dienstleistungen rund um OSS

Das wohl älteste Geschäftsmodell mit OSS besteht darin, Dienstleistungen rund um die Software zu erbringen. Dabei können diese Dienstleistungen sowohl vom Hersteller der Software selbst als auch von Dritten erbracht werden. Der Kunde bezieht die OSS selbst kostenlos und schließt dann einen kostenpflichten Dienstleistungsvertrag ab. Dieser Vertrag kann unterschiedlichste Leistungen zum Inhalt haben. Häufig sind dies Unterstützungsleistungen im Rahmen der Installation und der gegebenenfalls erforderlichen Integration in die vorhandene IT-Infrastruktur. Daneben können auch Support- und Wartung angeboten werden.

Für den Kunden haben diese Dienstleistungen entscheidende Vorteile. So werden OSS-Projekte oftmals nur im Sourcecode bereitgestellt und bedürfen der anschließenden Kompilierung. Auch das Schließen von Sicherheitslücken ist immer wieder von großer Relevanz. Zudem werden bei OSS regelmäßig sämtliche Haftungs- und Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen – ein für Unternehmen riskanter Zustand.

Derartige Dienstleistungen können aufgrund der freien Verfügbarkeit des Sourcecode grundsätzlich auch von Dritten angeboten werden. Der Hersteller der OSS hat jedoch den entscheidenden Vorteil, dass er seine eigene Software am besten kennt und insofern einen entscheidenden Wissensvorsprung hat.

Proprietäre Erweiterungen von OSS

Ein weiteres Geschäftsmodell besteht darin, die OSS mit proprietärer Software zu verbinden. Die passende proprietäre Software wird gegen ein Lizenzentgelt vertrieben. Für Nutzer liegt der Anreiz für den proprietären Software-Teil darin, dass dieser in der Regel eine funktionale Verbesserung gegenüber dem OSS-Produkt aufweist oder notwendige Funktionen erst bereitstellt – vor allem in Hinblick auf die Integration in bestehende IT-Systeme. Man spricht hierbei auch von einem sogenannten „value-added“-Produkt. Ein Beispiel hierfür ist das Angebot von kostenpflichtigen Linux-Distributionen wie etwa Red Hat Enterprise Linux.

Für den Anbieter eines „value-added“-Produkts ergibt sich der Vorteil, dass das Grundprodukt kostenlos bereitgestellt wird und damit schnell einen hohen Verbreitungsgrad erreichen kann. Auch Entwicklungskosten lassen sich so sparen. Bei diesem Geschäftsmodell ist jedoch die Wahl der OSS-Lizenz für das Grundprodukt entscheidend. Anders als beim reinen Dienstleistungs-Angebot modifiziert der Anbieter hier die bestehende Software und/oder verbindet diese mit eigener Software. Bei OSS-Lizenzen mit sogenannter Copyleft-Klausel kann ein proprietärer Vertrieb des „value-added“-Produkts gegebenenfalls ausgeschlossen sein. Denn die Copyleft-Klausel soll sicherstellen, dass die Software selbst sowie ihre Weiterentwicklungen unter denselben Lizenzbedingungen der Ausgangslizenz verbreitet werden muss.

Multi-Licensing als Geschäftsmodell

Beim Multi-Licensing wird die eigene Software parallel unter mehreren Lizenzen angeboten. Dabei wird die Software meist unter einer OSS-Lizenz mit starkem Copyleft-Effekt (v.a. GPLv2/v3, AGPLv3 und SSPL) sowie gleichzeitig unter einer oder mehreren eigenen, kommerziellen Lizenzen angeboten.

Viele Unternehmen können oder wollen den Lizenzpflichten von OSS mit Copyleft-Effekt nicht nachkommen. Ein Hauptgrund hierfür liegt darin, dass bei Eintritt des Copyleft-Effekts auch der Sourcecode der eigenen Software bereitgestellt werden muss. Wenn sie sich dennoch lizenzkonform verhalten wollen, bleibt in diesen Fällen nur eine kommerzielle Lizenzierung. Andernfalls drohen dem Nutzer Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche der Rechteinhaber.

Umstrittenes Geschäftsmodell MongoDB

Ein prominentes Beispiel für dieses Geschäftsmodell ist die Datenbanksoftware MongoDB, die von der MongoDB Inc. hergestellt und vertrieben wird – in einer kostenlosen und einer kostenpflichten Variante. Bei der MongoDB handelt es sich um weit verbreitete sogenannte No-SQL-Datenbank, die erstmals im Jahre 2009 veröffentlicht wurde. Die Vorteile der MongoDB liegen zum einen in der Verteilung der Daten- und Rechenlast auf verschiedene Rechner sowie in der besonderen Eignung für agile Programmierung. Aufmerksamkeit erregte die MongoDB aber vor allem aufgrund ihrer Lizenzierungsgeschichte.

Ursprünglich stand die MongoDB unter mehreren Lizenzen zur Verfügung. Der Nutzer hatte die Wahl, die Software entweder unter der „GNU Affero General Public License Version 3.0“ (kurz: AGPL-3.0), einer OSS-Lizenz mit sehr starkem Copyleft-Effekt, oder einer kommerziellen Lizenz des Entwicklers zu nutzen.

Am 16. Oktober 2018 änderte MongoDB die Lizensierung. Alle ab diesem Zeitpunkt neu veröffentlichten Versionen der MongoDB wurden nunmehr – neben der kommerziellen Lizenz – ausschließlich als „Server Side Public License v1“ (kurz: SSPL-1.0) angeboten. Bei der SSPL-1.0 handelt es sich um eine von der MongoDB Inc. herausgebrachte Lizenz, die dem Lizenznehmer erweiterte Pflichten in Hinblick auf die Herausgabe des Quellcodes auferlegt. Begründet wurde dieses Vorgehen seitens des Entwicklers damit, dass insbesondere Anbieter von Online-Angeboten (z.B. Cloud- und SaaS-Anbieter) ihre Software bzw. deren Quellcode der OSS-Community unter der AGPL-3.0 nicht zur Verfügung stellen (müssen).

Aufgrund der sehr weitgehenden Lizenzverpflichtungen wird die SSPL-1.0 weder von der Free Software Foundation (FSF) noch von Open Source Initiative (OSI) als OSS-Lizenz anerkannt. Entsprechende Anfragen an die OSI zur Zertifizierung wurden von MongoDB Inc. zurückgezogen. Hintergrund sind die Lizenzbestimmungen in Punkt 13 der SSPL-1.0. Diese verlangen, dass jedermann, der Funktionalitäten der MongoDB – egal ob modifiziert oder nicht – anderen als Dienst bereitstellt, den sogenannten „Service Source Code“ zum Download bereitstellen muss. Dabei handelt es sich nicht nur um den Sourcecode der MongoDB, sondern auch um den Sourcecode aller anderen Programme, die zur Bereitstellung der MongoDB eingesetzt werden.

Diese umfassende Offenlegungspflicht wird zum Teil als Verstoß gegen eine der vier maßgeblichen Freiheiten von OSS, der Freiheit das Programm nach eigenem Willen sowie für jeglichen Zweck ausführen zu können, angesehen.

Mit den umfassenden Lizenzpflichten der SSPL-1.0 werden die Lizenznehmer, vor allem Cloud-Anbieter, erheblich eingeschränkt. Da die MongoDB Inc. auch kommerzielle Lizenzen anbietet, die derartige Lizenzpflichten zur Herausgabe des Sourcecode nicht vorsehen, steht auch der Vorwurf im Raum, die Lizenzänderung diene nur dazu, die bestehenden Nutzer der MongoDB in die kommerzielle und damit für den Entwickler gewinnbringende Lizensierung zu treiben.

Den rechtlichen Rahmen kennen

Die Beispiele zeigen, dass OSS ein lukratives Geschäftsfeld darstellen kann. Denn auch wenn vom Grundsatz her OSS kostenlos verwendet werden darf, gibt es für Anbieter die Möglichkeit, mit Dienstleistungen, Erweiterungen und Lizenzen Geld zu verdienen. Dies zeigt sich auch daran, dass sich immer häufiger große Unternehmen im Bereich OSS engagieren.

Welche Geschäftsmodelle – auch in Kombination – geeignet sind, muss individuell geprüft werden. Dabei sind sowohl firmenpolitische, technische wie auch juristische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Nur wenn sich das Unternehmen darüber im Klaren ist, welche Konsequenzen sich für die eigene Software ergeben, kann die richtige Entscheidung getroffen werden. Wir beraten Anbieter bei den juristischen Aspekten der Entwicklung OSS-Geschäftsmodellen ebenso wie Nutzer bei der Vertragsgestaltung mit Software-Anbietern.

Weitere Folgen unserer Serie:

• Open Source Software -Teil 2: Welche rechtlichen Risiken drohen? – 24.11.2020
• Open Source Software -Teil 3: Worauf kommt es bei der Compliance an? 22.12.2020

Stefan Haßdenteufel
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Eva Ametsbichler
ametsbichler@web-partner.de