Open Source Software – Teil 2: Welche rechtlichen Risiken drohen?

Nachdem wir im ersten Teil unserer Serie über Open Source Software (OSS) die Geschäftsmodelle vorgestellt haben, geht es im zweiten Teil um die rechtlichen Risiken, die beim Einsatz von OSS bestehen. Wenn der Einsatz der OSS nicht lizenzkonform erfolgt, können Urheber zivilrechtliche und strafrechtliche Schritte einleiten. Dabei bildet das Urheberrecht die Grundlage aller Risiken.

Die Grundlage: Das Urheberrecht

OSS genießt wie jede Software den Schutz nach deutschem Urheberrecht (§ 69a Abs.1 UrhG). Wenn ein potenzieller Nutzer die OSS einsetzen will, benötigt er grundsätzlich die Zustimmung des Urhebers. Ausnahmen bestehen nur für bestimmte Handlungen, die in den §§ 69d und 69e UrhG aufgeführt sind.

Charakteristisch für OSS ist es, dass sie dem Nutzer anbietet, die Software zu vervielfältigen, zu verbreiten sowie zu bearbeiten. Aus rechtlicher Sicht räumt der Urheber dem Nutzer dabei ein sogenanntes einfaches Nutzungsrecht im Sinne von § 31 Abs.2 UrhG ein („Lizenz“). Allerdings ist das Einräumen von Nutzungsrechten meist mit bestimmten Pflichten für den Nutzer als Lizenznehmer verbunden. Urheberrechtlich relevante Verletzungen treten im Wesentlichen in Form von Missachtung solcher Lizenzpflichten auf. Welche rechtlichen Risiken damit verbunden sind, stellen wir Ihnen im Folgenden vor.

Zivilrechtliche Ansprüche

• Unterlassung: Zum einen besteht ein Anspruch auf Unterlassung gegen den jeweiligen Verletzer, wobei die Gefahr der Wiederholung der Verletzung durch den Verstoß gegen die Lizenzpflichten indiziert wird (§ 97 Abs.1 UrhG). Ein Verschulden des Verletzers ist nicht erforderlich. Ein solcher Unterlassungsanspruch erscheint auf den ersten Blick harmlos, da er lediglich das Abstellen der Verletzung beinhaltet. Allerdings kann dies beim Einsatz von OSS im Extremfall dazu führen, dass der Verstoß nur dadurch abgestellt werden kann, dass das Produkt gänzlich vom Markt zurückgerufen und in der Form auch nicht mehr vertrieben wird. Vor diesem Hintergrund können im OSS-Bereich Unterlassungsansprüche schwerwiegendere Folgen als Schadensersatzansprüche haben. Daher stellt ein drohender Unterlassungsanspruch ein erhebliches rechtliches Risiko dar.

• Schadensersatz: Der Verstoß gegen eine OSS-Lizenzpflicht kann auch einen Anspruch auf Schadensersatz auslösen (§ 97 Abs.2 UrhG). Im Gegensatz zum Unterlassungsanspruch erfordert ein solcher Anspruch ein Verschulden des Verletzers in Form von Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Dabei kann sich der Verletzer nicht einfach auf sein Nichtwissen zurückziehen. Vielmehr werden ihm nach der Rechtsprechung gewisse Prüfpflichten auferlegt.

Der Rechteinhaber kann den Schadensersatz dabei auf drei unterschiedliche Weisen berechnen: Erstens besteht die Möglichkeit, den tatsächlich im Einzelfall eingetretenen Schaden zu berechnen. Hier können jedoch Schwierigkeiten bei der Ermittlung auftreten. Zweitens kommt die Berechnung der sogenannten Lizenzanalogie in Betracht. Dabei zahlt der Verletzer dem Rechteinhaber eine Lizenzgebühr in einer Höhe, die dieser bei vorheriger Absprache für die Nutzung in angemessener Weise hätte verlangen können. Hierbei ist der Einwand unerheblich, dass für OSS keine Lizenzgebühren verlangt werden dürfen und damit die Lizenzanalogie null Euro betrage. Dieser Einwand lässt sich durch den sogenannten Verletzergewinn vermeiden, bei dem der Verletzer den aufgrund der Verletzung erzielten Gewinn an den Rechteinhaber herauszugeben hat. Drittens sieht das deutsche Urheberrecht einen Anspruch auf Beseitigung gegen den Verletzer vor, sofern es sich um eine fortlaufende Beeinträchtigung handelt (§ 97 Abs.1 UrhG). Konkret bedeutet dies beispielsweise, dass der Verletzer sein Angebot, welches gegen die OSS-Lizenzpflichten verstößt, aus dem Internet nehmen muss. In diesem Zusammenhang ist auch § 98 UrhG zu berücksichtigen, der dem Rechteinhaber einen Anspruch auf Vernichtung und Rückruf der Software gibt. Schließlich sind noch die verschiedenen Auskunftsansprüche beim Durchsetzen etwaiger Unterlassungsansprüche zu beachten (§ 101 UrhG). Diese sind in der Praxis besonders relevant.

Strafrechtliche Ansprüche

Strafrechtliche Konsequenzen drohen auf der Grundlage der §§ 106 ff. UrhG, die gerade bei OSS-Lizenzverstößen relevant werden können. Zu beachten ist dabei, dass es sich nach § 109 UrhG bei den Straftatbeständen der §§ 106 bis 108 sowie § 108b UrhG um sogenannte relative Antragsdelikte handelt. Dies bedeutet, dass die Tat nur auf Strafantrag hin verfolgt wird - es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde ein besonderes öffentliches Interesse bejaht, so dass ein Einschreiten von Amts wegen geboten ist.

Eine zentrale Rolle kommt in diesem Zusammenhang wiederum § 130 Abs.1 OWiG zu. Danach haben Unternehmensinhaber die Pflicht, Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um mit Strafe oder Geldbuße bedrohte Verstöße zu verhindern. Auch § 130 Abs.1 OWiG kann in solchen Fällen relevant werden. Somit birgt der nicht lizenzkonforme Einsatz von OSS nicht nur für den unmittelbaren Verletzer ein erhebliches rechtliches Risiko, sondern kann unter bestimmten Umständen auch als Ordnungswidrigkeit zu einer Haftung von Unternehmensinhabern führen.

Bei Ordnungswidrigkeiten ist noch die Vorschrift des § 111a UrhG zu beachten. Diese sieht eine Haftung bei Verstößen gegen die Vorschriften der §§ 95a Abs.3, 95b Abs.1 S.1 und 95d Abs.2 S.1 UrhG vor. Thematisch geht es dabei um den Schutz von urheberrechtlich geschützten Werken oder anderen Schutzgegenständen durch sogenannte wirksame technische Maßnahmen.

Darüber hinaus besteht nach § 111 UrhG im Falle einer Verurteilung nach den §§ 106 bis 108b UrhG für den Verletzten die Möglichkeit, dass die Verurteilung öffentlich bekanntgemacht wird, wenn er ein berechtigtes Interesse darlegen kann. Dies ist weniger ein rechtliches Risiko, dafür aber ein erhebliches Risiko für das Image des Verletzers.

Risiken minimieren

Wie lassen sich diese zivil- und strafrechtlichen Risiken am besten minimieren? Ein einzelner Nutzer kann dies letztlich nur dadurch sicherstellen, dass er die Lizenzbedingungen der jeweils verwendeten OSS-Komponente sorgfältig beachtet. Wenn aber OSS – wie in Unternehmen üblich – in größerem Umfang zum Einsatz kommt, wird der Aufbau und die Pflege eines umfassenden OSS-Compliance-Systems unumgänglich. Dieses sollte so gestaltet sein, dass Lizenzverstöße zielgerichtet aufgedeckt und dementsprechend auch gelöst werden können. Zugleich sichert ein solches OSS-Compliance-System die nötige Dokumentation der betrieblichen Vorgänge beim Einsatz der Software. Diese bildet die Grundlage dafür, dass weitere Verstöße in Zukunft vermieden werden.

Nur wenn sich der Anwender darüber im Klaren ist, welche Risiken sich aus der Nutzung der OSS ergeben, kann er die richtige Entscheidung treffen. Wir beraten Unternehmen beim Identifizieren und Minimieren von Risiken sowie dem Aufbau eines OSS-Compliance-Systems.

Weitere Folgen unserer Serie:

• Open Source Software - Teil 1: Welche Geschäftsmodelle stehen dahinter? – 20.10.2020
• Open Source Software -Teil 3: Worauf kommt es bei der Compliance an? 22.12.2020

Stefan Haßdenteufel
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Eva Ametsbichler
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