Diskussion um neues Unternehmens-Strafrecht voll entfacht

Schwarzarbeiter beschäftigen, Amtsträger bestechen, Schmiergelder als Betriebsausgaben steuerlich geltend machen: Dass Führungskräfte und Mitarbeiter von Unternehmen straffällig und dafür bestraft werden, ist nicht neu. Künftig sollen aber auch die Unternehmen selbst strafrechtlich belangt werden. So sieht es das „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ vor, dessen Referentenentwurf im April veröffentlicht wurde. Gegen den Referentenentwurf regt sich inzwischen erheblicher Widerstand.

Scharfe Sanktionen für Unternehmen

Wenn Mitarbeiter sich einer sogenannten „Verbandsstraftat“ schuldig machen, drohen den Unternehmen künftig scharfe Sanktionen; bei vorsätzlichen Delikten bis zu 10 Mio. EUR, bei Fahrlässigkeit bis 5 Mio. EUR, bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 100 Mio. Euro bis zu 10 % des konzernweiten Jahresumsatzes.

Für die Höhe der Strafe sind unter anderem die Bedeutung der Tat, die Schwere und das Ausmaß von Aufsichtspflichtverletzungen sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens maßgeblich. Sie hängt auch davon ab, welche Vorkehrungen ein Unternehmen getroffen hat, um Straftaten zu vermeiden und aufzudecken. Das bedeutet, dass Compliance-Maßnahmen regelmäßig strafmildernd zu berücksichtigen sind. Daraus folgt für die Unternehmensleitung faktisch die Pflicht, ein Compliance-Managementsystem zu implementieren; schon mehren sich die Stimmen, die einen Verzicht darauf für eine strafbare Untreue halten.

Die neuen Regelungen folgen dem Legalitätsprinzip. Das heißt, dass die Strafverfolgungsbehörden bei dem Verdacht einer Verbandstat gegen das Unternehmen Ermittlungen einleiten müssen. Als lex specialis ergänzt die Regelung das derzeitige Recht der Verbandsgeldbuße. Es kann daher Situationen geben, in denen sowohl gegen Einzelpersonen und das Unternehmen, sowohl wegen Straftaten als auch wegen Ordnungswidrigkeiten ermittelt wird. Das hat zur Folge, dass unterschiedliche Behörden mit jeweils eigenen Prozessmaximen, Kompetenzen und Sanktionen tätig werden. Friktionen sind deshalb vorprogrammiert.

Gegenposition der Wirtschaft und der Anwaltschaft

Bei den betroffenen Unternehmen und den Strafverteidigern in der Anwaltschaft stößt der Referentenentwurf – wie bereits die vorherigen Entwürfe – auf wenig Begeisterung. In einem gemeinsamen Schreiben kritisieren verschiedene Wirtschaftsverbände – darunter der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Arbeitgeberverband BDA, der Handelsverband HDE und der Verband „Die Familienunternehmer“ – unter anderem den völlig überzogenen Sanktionsrahmen. Zudem fehle es an verlässlichen Leitlinien, welche präventiven Maßnahmen zu ergreifen sind, um Unternehmensstrafen zu mildern oder auszuschließen. Das Legalitätsprinzip ermuntere zu Missbrauch und Vorverurteilung der von Ermittlungen betroffenen Unternehmen in der Öffentlichkeit. Der Deutsche Anwaltverein bemängelt darüber hinaus in einer Stellungnahme, dass das neue Gesetz mit grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzipien wie dem Schuldprinzip bricht. Die Strafverteidigervereinigungen sehen die Gefahr, dass das anwaltliche Berufsgeheimnis gegenüber Strafverfolgern unter dem Einfluss des neuen Unternehmensstrafrechts erodieren wird.

Handlungsbedarf für alle Unternehmen

Ungeachtet der engagiert geführten Diskussion über Sinn und Machart der neuen Regelungen ist damit zu rechnen, dass das Gesetz noch in diesem Sommer verabschiedet wird. In Kraft treten wird es zwar voraussichtlich erst in zwei Jahren. Unternehmen aller Größen und Industrien sind allerdings gut beraten, sich schon jetzt auf seine Auswirkungen einzustellen. Gerichte und Behörden werden dann nämlich erwarten, dass sich die Unternehmen vorbereitet und insbesondere funktionsfähige und passende Compliance-Programme bei sich etabliert haben. Während viele größere Konzerne den Weckruf längst gehört haben, hinkt der Mittelstand teilweise erschreckend weit hinterher. Dabei eröffnen Compliance-Managementsysteme gerade für kleinere und mittlere Unternehmen die Chance, ihr Geschäftsmodell effizienter auszusteuern und interne Prozesse, wie etwa die Steuerfunktion, zu verbessern.

Wir unterstützen Unternehmen dabei, ihre Compliance-Situation mit Blick auf das Unternehmens-Strafrecht zu überprüfen und anzupassen.

Dr. Hilmar Erb, Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht
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